Schauder, Erschrecken, « süßer Horror » sind alles Wörter, die das Erlebnis des Sublimen, dieser einzigartigen Mischung aus Anziehung und Angst, beschreiben, die uns überkommt, wenn wir den unbändigen Kräften der Natur ausgesetzt sind. Vom Sublimen bzw. Erhabenen sprach man zum ersten Mal in der Ästhetik und Philosophie des 18. Jahrhunderts. Durch die Ausstellung zieht sich der Begriff als roter Faden und erlaubt eine neue Sicht auf die von Leidenschaft geprägte Beziehung zwischen Mensch und Natur.
« Das Schaudern der Welt » präsentiert etwa hundert internationale Künstler, Architekten und Filmemacher, wobei ältere Werke mit zeitgenössischen in einen Dialog treten und alle jener ambivalenten Anziehung nachgehen, die für die « zu weit enfernte Natur » sowie Katastrophen besteht.
In einer Zeit, in der die Umwelt großen Veränderungen unterworfen ist und es zu alarmierenden Botschaften kommt, thematisiert die Ausstellung auch zwei komplett neue Sichtweisen des Sublimen: Zum einen die eines Zuschauers unserer Zeit, der sich seiner teilweisen Verantwortung für die in der Welt auftretenden Probleme bewusst ist, und zum anderen die der Katastrophe, die wir im Anthropozän schon gar nicht mehr wahrnehmen. Die Ausstellung zeigt auch eine - in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts entstandene – neue Beziehung zur Natur, ein Streben nach Wiederverzauberung und Verschmelzung, welches an eine kontemplativere Darstellung des Sublimen anknüpft.
Die Ausstellung beschäftigt sich mit der ambivalenten Faszination, die von der Kraft der Elemente ausgeht. Diese « Leidenschaft aus Schauder und Überraschung » , welche der Philosoph Edmund Burke 1757 mit den Worten das « Sublime » oder das « Erhabene » bezeichnet, bringt zum Ausdruck, dass der Mensch von den Naturgewalten sowohl angezogen als auch abgestoßen wird, dass er sich in ihrem Kontakt zugleich wie erstarrt, einsam, allmächtig und ängstlich fühlt. Im 18. Jahrhundert werden der Ozean bei Sturm, der Ausbruch eines Vulkans, Felsvorsprünge und dunkle Täler zu Stereotypen, die das Sublime in der Literatur und der Malerei der Romantik repräsentieren.
Anhand von 300 Werken, Filmen und Dokumenten aus verschiedenen internationalen Museen – Arts Council, British Museum, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Fonds Maurice & Katia Krafft, Cinémathèque Française, BNF, Nevada Art Museum, Museum of Modern Art, New York… - befasst sich die Ausstellung auf eine noch nie dagewesene Art und Weise mit dem Wiederaufkommen der Idee des Sublimen bzw. Erhabenen in unserer heutigen Zeit und ihren Wurzeln im 18. Jahrhundert. Gezeigt werden von
Leonardo da Vinci über William Turner, Agnes Denes und Lars von Trier bis hin zu Richard Misrach die Werke von etwa hundert Künstlern aus der ganzen Welt.
Die Ausstellung zeigt die lang andauernde Faszination für die « zu weit entfernte Natur » (Victor Hugo) sowie die Darstellung des Sublimen. Sie legt außerdem Wert darauf, die radikalen Veränderungen hervorzuheben, denen diese Faszination im Laufe der Zeit unterworfen ist: zum einen die Position des Zuschauers, welcher beobachtet, wie die Welt aus dem Ruder läuft, und sich seiner Rolle als Protagonist bewusst wird, und die Vorstellung von einer Katastrophe. Die erst kürzer zurückliegenden Naturkatastrophen (Tsunamis, Wirbelstürme, Erdbeben), welche auf bewohnte und städtische Gebiete sowie auf Industrieanlagen große Auswirkungen hatten, haben dazu geführt, dass der Mensch sich jetzt stärker bewusst ist, dass er seine Umwelt und die Folgen seines Handelns auf die Natur nur in gewissen Grenzen beherrscht, ein vermeintliches Gleichgewicht also trügerisch ist. Das Gefühl einer gewissen Ohnmacht hat sich vergrößert und übertrifft das der ästhetischen Verzückung. Seit Tschernobyl, Katrina und Fukushima stehen wir absolut schutzlos da, sehen wir uns nur noch teilweise als Handelnde, als Individuen, die möglicherweise bald einer Katastrophe ausgesetzt sind. Mit Werken, die mit der Ambiguität beschaulicher und idealisierter Landschaften und unsichtbaren Stigmata spielen, öffnet sich diese Ausstellung einer Geografie der Angst und des Schrecklichen. Die Ausstellung befasst sich auch mit einem neuen Verhältnis zur Natur, wie es seit den 60er- und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts aufgekommen ist. Geprägt ist es zum einen von einer erneuten Verzauberung und einer Sehnsucht nach Verschmelzung mit den Elementen sowie zum anderen vom Erwachen eines Umweltbewusstseins, welches sowohl in der Poesie als auch in der Politik zum Ausdruck kommt und das ganz bewusst an eine gewisse romantische Darstellung des Erhabenen anknüpft. Im Vordergrund steht dabei die Generation der Earth- und Land-Art-Künstler, die durch ihre Vor-Ort-Performances mit der Landschaft und den Naturelementen in eine ganz direkte Interaktion treten.
Historische, wissenschaftliche und filmische Materialien (Zeitschriften, Archivmaterial, Dokumente von geographischen Gesellschaften und Vulkanologen) setzen Gegenpunkte, ergänzen die Ausstellung und machen sie abwechslungsreich.
Ein Katalog steht zur Verfügung.
Ausstellungsleitung:
Hélène Guenin, Verantwortliche der Abteilung Ausstellungsorganisation des Centre Pompidou-Metz
Assistentin: Hélène Meisel, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Ausstellungsorganisation des Centre Pompidou-Metz
1. Edmund Burke, Recherche philosophique sur l’origine de nos idées du sublime et du beau, Paris, Éditions Vrin, Collection Bibliothèque des textes philosophiques, S. 76.
Robert Adams | Jiří Kolář
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Dation Maurice et Katia Krafft du Muséum national d’Histoire naturelle : Anna D'Alessandro, Jean-Baptiste Chapuy, Camillo De Vito, Saverio Della Gatta, Camille Flammarion, William Hamilton & Pietro Fabris, Athanasius Kircher, Gioacchino La Pira, Y. Itowe Ogura, Sherman & Smith, Pierre-Jacques Volaire. "Eco-activisme. Pour une topographie subjective des pratiques environnementales", diagramme : Lara Almarcegui, Amy Balkin, Betty Beaumont, Joseph Beuys, Mel Chin, Christo et Jeanne-Claude, Mark Dion, Peter Fend et Ocean Earth, Dirk Fleishmann, Yolanda Gutiérrez, Hans Haacke, Helen Mayer Harrison et Newton Harrison, Nancy Holt, Yutaka Kobayashi, Mierle Laderman Ukeles, Robert Morris, David Nash, Buster Simpson, Alan Sonfist. |
Avec la contribution de la Cinémathèque française, de la Société de Géographie, des Amis de la Terre, du Musée du Vivant-AgroParisTech
et du Kansas State Historical Society
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