Peter Hutton, New York Portrait : Part I [New-York-Porträt, Teil I], 1978-197916-mm-Film, s/w, stumm, 15’23’’ Dieses Stadtporträt ist Teil der dreiteiligen Filmreihe New York Portrait, die Hutton zwischen 1978 und 1981 drehte. Kennzeichnend für die gesamte Reihe sind die festen Kameraeinstellungen ohne Ton, welche die große plastische Reinheit der Schwarz-Weiß-Abbildungen der atmosphärischen New Yorker Stadtlandschaft besonders deutlich aufscheinen lassen. Während die Geometrie von Architektur und Komposition an Manhatta erinnert, akzentuiert Hutton in seinem Film insbesondere den abstrakten Charakter der Stadt, die sich im Nebel oder den schillernden Reflexen auf dem Wasser abzeichnet. Ihre Bewohner sind reduziert auf bloßen Silhouetten, die einen von Licht und Schatten skulptierten, zur Kontemplation einladenden Raum bevölkern. Huttons Kameraeinstellungen gleichen einer Reihe in Bewegung aufgenommener Fotografien: Damit schlägt er eine Brücke zu den Produktionen Edisons oder der Brüder Lumière, deren Filme stets konsequent aus einer Perspektive und mit einer einzigen Kameraeinstellung aufgenommen waren. Mikhail Kaufman, Moskwa [Moskau], 192735-mm-Film, s/w, stumm, 60’ In den Jahren 1930/31 reist Richter häufig in die Sowjetunion und beginnt in Moskau und Henningsdorf seinen Film Metall zu drehen. Doch angesichts der antisemitischen Gesetze in Russland und Deutschland und der Diffamierung der modernen Kunst als „entartet“ flüchtet Richter in die Niederlande, wo er in Eindhoven Werbefilme für das Unternehmen Philips dreht. Michail Kaufman, Bruder des Filmemachers Dsiga Wertow, war als Kameramann Mitglied der Kinoki-Gruppe, die eine Form des Dokumentarfilms befürwortete, der auf unverfälschten Aufnahmen der Realität beruhen sollte, von den Kinoki Kino-Glas [Filmauge] genannt. Moskwa war Kaufmans Debüt als Regisseur. Der Film dokumentiert einen Tag in der Stadt vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung und wahrt damit die Einheit der Zeit, die zum typischen Merkmal der „Großstadt-Sinfonien“ werden sollte. Im vielfachen Rückgriff auf ungewöhnliche Perspektiven und mit der experimentellen Montage der Sequenzen zeichnet Kaufman ein dem Konstruktivismus verpflichtetes Porträt einer modernen sozialistischen Stadt. Sergei Eisenstein und Lew Kuleschow betrachteten den Film als herausragendes Beispiel für den dokumentarischen Rationalismus. Der analytische Blick, mit dem Kaufman den Moskauer Alltag und die verborgene Schönheit der Stadt zum Leben erweckt, unterscheidet ihn ihrer Meinung nach von dem exzessiven und individualistischen Expressionismus, wie ihn Dsiga Wertow pflegte. Nach seinem zweiten Film 1930 sollte Kaufman der stalinistischen Zensur zum Opfer fallen und fortan gezwungen sein, Propagandawerke zu produzieren. László Moholy-Nagy, Berliner Stilleben, um 1926-193235-mm-Fim, s/w, stumm, 10’17’’ In Zusammenarbeit mit Sibyl Pietzsch Nach seinem Kunststudium in seiner Heimatstadt Berlin wurde Richter Mitarbeiter der Zeitschrift Der Sturm, die direkt am Puls der zeitgenössischen Kunstszene war, und schloss sich der Novembergruppe an, in der sich deutsche expressionistische Künstler und Architekten zusammengefunden hatten und die 1925 die Filmmatinee „Der absolute Film“ im UFA Filmpalast organisierte. In jener Zeit lernte er den Futuristen Filippo Tommaso Marinetti, den Theoretiker der Gruppe De Stijl Theo van Doesburg und andere dem Konstruktivismus nahestehende Künstler wie El Lissitzky und Hans Arp kennen. Berliner Stilleben beschreibt keinen Tag in einer Großstadt, sondern fügt sich aus einer Reihe von Notizen zusammen, die dem Betrachter verschiedene Aspekte aus dem Alltag des Großstadtproletariats vor Augen führen. Mit seinen Aufnahmen aus den Armenvierteln im Berlin der Weimarer Republik greift Moholy-Nagy diverse stilistische Verfahren aus seiner Praxis als Fotograf auf und arbeitet mit zahlreichen Untersichten und Diagonalperspektiven, um das Bildfeld zu geometrisieren. Er macht sich außerdem das Wechselspiel des Lichts sowie das expressive Potenzial des Bildausschnittes zunutze, um so die gesellschaftspolitische Dimension des Mediums Film hervorzuheben, und wird damit zum Urheber eines „konstruktivistischen Humanismus“. Moholy-Nagy spielt in Berliner Stilleben ebenso wie in seinen Werken Marseille vieux port oder Großstadt-Zigeuner mit dem Gegensatz zwischen ästhetischer Stilisierung und Konzentration auf das Elend in der Großstadt und damit die häufig verdrängte Kehrseite des modernen Lebens. |
| Walter Ruttmann, Berlin. Die Sinfonie der Großstadt, 192735-mm-Film, s/w, stumm, 77’15’’ Kamera: Reimar Kuntze, Robert Baberske, Laszlo Schäffer Drehbuch: Walter Ruttmann und Karl Freund nach einer Idee von Carl Mayer Mitarbeit: Lore Leudesdorff, Umbo Musik: Edmund Meisel In den frühen 1920er-Jahren ist Walter Ruttmann neben Oskar Fischinger und Hans Richter einer der Pioniere des abstrakten Films in Deutschland. Die Hauptrolle in seinem ersten Realfilm, der zum Vorbild für alle zukünftigen „Großstadt-Sinfonien“ werden sollte, spielte dann die Stadt Berlin. 1928 erklärte Walter Ruttmann: „Während der langen Jahre meiner Bewegungsgestaltung aus abstrakten Mitteln ließ mich die Sehnsucht nicht los, aus lebendigem Material zu bauen, aus den millionenfachen, tatsächlich vorhandenen Bewegungsenergien des Großstadtorganismus eine Film-Sinfonie zu schaffen.“ Um das vom Morgengrauen bis in die Nacht pulsierende Leben der Metropole auf die Leinwand zu bringen, macht er sich das dynamische Potenzial von Rhythmus und Montage zunutze, während zahlreiche Doppelbelichtungen und Diagonalansichten die Flut der Eindrücke und das Empfinden von Allgegenwart, wie sie typisch für die moderne Großstadt sind, versinnbildlichen. Bei den Dreharbeiten konnte Ruttmann außerdem auf zahlreiche technische Innovationen zurückgreifen, so zum Beispiel hochempfindliches Filmmaterial, mit dem man auch nachts drehen konnte. Paul Strand und Charles Sheeler, Manhatta, 192116-mm-Film, s/w, stumm, 9’48’’ Anlass für Hans Richters erste Reise nach New York 1936 war die Ausstellung Kubismus und abstrakte Kunst. 1940 kehrte er dorthin zurück, um am Museum of Non-Objective Painting (Museum für gegenstandslose Malerei), aus dem später das Guggenheim Museum werden sollte, ein Seminar zu leiten. 1941 emigrierte er schließlich in die USA, um sich fortan der Lehre vor allem am New Yorker City College zu widmen. Dort war er Mentor verschiedener Vertreter des New American Cinema, etwa Stan Brakhage, Maya Deren und Jonas Mekas. Der Kurzfilm Manhatta entstand aus einer Kooperation zwischen dem Maler Charles Sheeler und dem Fotografen Paul Strand. Ausgangspunkt für das Werk war ein Hymnus auf die moderne Stadt von Walt Whitman aus der Gedichtsammlung Grashalme. Erstmals gezeigt wurde der Film 1921 unter dem Titel Fumées de New York [New Yorker Rauch] bei Tristan Tzaras berühmter Soiree Coeur à barbe [Bärtiges Herz] in Paris. Er gilt bisweilen als erster in den USA gedrehter Avantgardefilm. Manhatta besteht aus einer Abfolge fester – meist aus der Vogelperspektive gedrehter – Kameraeinstellungen: Sheeler und Strand bedienen sich der Wolkenkratzer-Architektur für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Primat des horizontalen Blickwinkels zur Darstellung städtischer Landschaften und verschaffen dem Betrachter eine neue Seherfahrung, indem sie die vertikale Natur der modernen Großstadt, deren Urbild New York ist, auf die Leinwand bannen.
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