Die Ausstellung widmet sich der Frage, wie der Blick aus der Luft – von den ersten Ballonaufnahmen bis zu heutigen Satellitenfotos – die Wahrnehmung der Künstler verändert hat.
Auf mehr als 2000 m² erwacht im Centre Pompidou-Metz der Traum des Ikarus zum Leben. Im Wechselspiel der rund 500 Werken – Gemälden, Fotografien, Zeichnungen, Filmen, Architekturmodellen, Installationen, Büchern und Zeitschriften – ergibt sich ein neuartiges und spektakuläres Panorama über die moderne und zeitgenössische Kunst.
Seit einigen Jahren erfährt die Sicht aus der Höhe eine Renaissance. Neben den Publikumserfolgen des französischen Fotografen Yann Arthus-Bertrand ist hier vor allem die Popularität von Google Earth zu nennen. Die Vogelperspektive zieht die Menschen in ihren Bann – sowohl durch die Schönheit der Landschaften, die sie offenbart, als auch durch das Gefühl der Allmacht, das sie in uns weckt.
Die Ausstellung Der Blick von oben nimmt diese Aktualität zum Anlass, die Geschichte der Luftbildfotografie von ihren Ursprüngen an nachzuzeichnen und ihren Einfluss auf das künstlerische Schaffen und somit auch auf die Kunstgeschichte auszuloten.
Mit den ersten Ballonfotografien von Nadar in den 1860er-Jahren hebt der Blick gleichsam ab. Plötzlich ist man nicht mehr auf Augenhöhe mit der Welt, sondern erlebt sie fliegend aus der Höhe. Damit gerät das anthropozentrische Perspektivmodell der Renaissance ins Wanken. Der Körper, nun in frei schwebender Bewegung, ist nicht mehr der Fixpunkt, der die Wahrnehmung des Raumes bestimmt. Der Blick von oben verwischt das Oberflächenrelief, lässt Berg und Tal verschwimmen. Die Erde wandelt sich zunehmend zu einer ebenen Fläche, auf der vertraute Bezugspunkte kaum mehr zu identifizieren sind.
Von nun an beschäftigen sich bildende Künstler, Fotografen, Architekten und Filmemacher sich mit den ästhetischen und semantischen Implikationen dieses Perspektivwechsels. Und diese faszinierende Auseinandersetzung ist – zum ersten Mal – Gegenstand einer großen multimedialen Ausstellung.
Die acht thematischen Sektionen der Ausstellung, die überschrieben sind mit den Begriffen Umschwung, Planimetrie, Ausdehnung, Verfremdung, Dominanz, Topografie, Urbanisierung und Überwachung, beleuchten das Sujet in chronologischer Abfolge, beginnend im „modernen“ 19. Jahrhundert und weiterführend über die wichtigen Einschnitte der beiden Weltkriege bis in die Gegenwart. Die eigens konzipierte Ausstellungsarchitektur macht den Besuch zu einer Reise durch Zeit und Raum: Der Blick steigt mehr und mehr, erhebt sich vom Balkon über Ballon und Flugzeug bis zum Satelliten.
Chefkuratorin
Angela Lampe, Kuratorin am Centre Pompidou,
Musée national d’art moderne
Co-Kuratorin
Alexandra Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin,
Centre Pompidou-Metz
Co-Kurator zeitgenössische Kunst
Alexandre Quoi, wissenschaftlicher Mitarbeiter,
Centre Pompidou-Metz
Co-Kuratorin Bereich Film
Teresa Castro, Dozentin, Universität Paris III
Co-Kurator Bereich Fotografie
Thierry Gervais, assistant professor,
Ryerson University, Toronto
Co-Kurator Bereich Architektur
Aurélien Lemonier, Kurator am Centre Pompidou,
Musée national d’art moderne
Die in zwei Teilen organisierte Ausstellung beginnt in der Grande Nef des Centre Pompidou-Metz mit Werken aus den Jahren 1850–1945. Weiter geht es oben in Galerie 1, wo von 1945 bis heute entstandene Arbeiten zu sehen sind. Einzelne zeitgenössische Werke setzen in den historischen Ausstellungsabschnitten kontrapunktische Zeichen.
UMSCHWUNG
Mit den ersten Ballonfotografien — von Nadar 1858–1868 in Paris und James Wallace Black 1860 in Boston aufgenommen — beginnt die Umkehrung der aus der Renaissance stammenden Zentralperspektive. Aus der Höhe bietet sich ein Panoramablick auf eine verflachte Welt. So schrieb Nadar: „Die Erde entrollt sich wie ein riesiger Teppich ohne Rand, hat weder Anfang noch Ende.“ Mit dem Aufblühen der illustrierten Presse und dem Beginn des Films werden die spektakulären Bilder aus der Vogelsicht populär und finden ihren Widerhall im Werk der Impressionisten, die für ihre Stadtansichten zusehends steilere Blickwinkel wählen. Kubistische Künstler wie Picasso, Braque, Léger und Delaunay sind fasziniert von der Eroberung des Himmels durch die Luftfahrt. Sie reagieren auf den technischen Fortschritt mit einer malerischen Revolution: der Dekonstruktion des traditionellen dreidimensionalen Raumkonzepts.
PLANIMETRIE
Im Ersten Weltkrieg finden die in vertikaler Aufsicht aufgenommenen Luftbilder der Schützengräben, aber auch Filmaufnahmen und Karten aus dem militärischen Bereich eine weite Verbreitung. Mit ihrem beinahe zeichnerischen Charakter und dem Fehlen vom Horizont und eindeutigen Größenverhältnissen liefern sie den Künstlern der Avantgarde, die nach einer Kunst jenseits der illusionistischen Nachahmung streben, ein faszinierendes Bildvokabular. Ihr Aufkommen geht einher mit dem Durchbruch der malerischen Abstraktion sowohl in England, wo sie vor allem im Werk des Vortizisten Edward Wadsworth präsent ist, als auch in Russland, wo Kasimir Malewitsch 1915 den Suprematismus erfindet. 1925 siedelt das Bauhaus nach Dessau über, der Heimat des Flugzeugbauers Junkers. Mit diesem Ortswechsel beginnt die berühmte Kunstschule, sich insbesondere unter dem Einfluss des Ungarn László Moholy-Nagy modernen Techniken zu öffnen.
VERFREMDUNG DOMINANZ | GALERIE 1
URBANISIERUNG ÜBERWACHUNG |
Daniel Buren, Écho d'échos : Vues plongeantes, Travail in situ (Aufsichten, Arbeit in situ)
Das Monumentalwerk, das Daniel Buren für das Dach der Galerie 1 des Centre Pompidou-Metz in 2011 entworfen hat, ist noch bis zum Ende der Ausstellung Der Blick von oben zu sehen.
Im Rahmen der Ausstellung hat das Centre Pompidou-Metz den Fotografen Yann Arthus-Bertrand beauftragt, einen Film über Metz und Umland aus der Vogelperspektive zu drehen, der ab Juni in der Ausstellung zu sehen sein wird. Dieses Projekt wurde von dem Gemeindeverbund Metz Métropole (Umland) finanziert.
Mit freundlicher Unterstützung von Air France
Mit Unterstützung von Gares & Connexions
Medienpartner:
Weitere Partner:
Wehrbereich Metz
Institut national de l’information géographique et forestière (IGN)
Die Realisierung der Ausstellung Der Blick von oben erfolgt in Partnerschaft mit dem Établissement de communication et de production audiovisuelle de la défense (ECPAD).